Erik Satie war das älteste von vier Kindern des Versicherungsagenten Jules-Alfred Satie (1842–1903) und seiner Frau Jane-Leslie Anton (1838–1872) aus schottischer Familie, die für Zweisprachigkeit und anglikanischen Taufritus sorgte. Als Erik vier Jahre alt war, zog die Familie nach Paris, wo neben der Agentur ein Übersetzungsbüro und später ein kleiner Musikverlag betrieben wurden. Nach dem Tod der jüngsten Schwester Diane (1871) und dem Tod der Mutter ein Jahr später kam der sechsjährige Erik zusammen mit seinem jüngeren Bruder Conrad zurück nach Honfleur zu den Eltern des Vaters. Die Großmutter stellte die Bedingung, dass die Kinder katholisch würden, woraus sich der Kontakt zum Organisten und Chorleiter der Kirche Saint-Léonard, Gustave Vinot, ergab, bei dem Satie ab 1874 den ersten Musikunterricht erhielt. Hier lernte er neben dem Gregorianischen Gesang auch die Freude an der Alltagsmusik kennen, die Vinot für örtliche Festlichkeiten komponierte, womit zwei Einflüsse auf das spätere Musikschaffen Saties genannt sind.
In Saties zwölftem Lebensjahr (1878) ertrank die Großmutter beim Baden und der Vater nahm seine beiden Söhne wieder zu sich nach Paris. Wenig später heiratete er in zweiter Ehe die zehn Jahre ältere Eugénie Barnetche, Konzertpianistin, Komponistin und ehrgeizige Musikpädagogin, die auf Eriks Begabung aufmerksam wurde und ihn 1879 am Pariser Konservatorium anmeldete, das sie selbst absolviert hatte. Bei Satie führten jedoch fehlende Motivation und zunehmende Frustration nach zweieinhalb Jahren zum Abbruch des Studiums.
1884 begann er zu komponieren. Als erstes Stück gilt Allegro, das als Fragment überliefert ist. Die frühen Werke wurden im Verlag des Vaters publiziert, wo auch die Chansons, die die Eltern schrieben, erschienen. Einen Teil seiner Arbeiten veröffentlichte Satie im Selbstverlag. In den folgenden Jahren entstanden u. a. die Kompositionen Ogive (1886), drei Sarabandes (1887) und die bekannten Klavierstücke Gymnopédies (1888), aber auch die Musik Trois Sonneries de la Rose+Croix für einen von Joséphin Péladan gegründeten Geheimbund der Rosenkreuzer, dem neben Claude Debussy und anderen Künstlern auch Satie einige Jahre lang angehörte.
Satie verließ sein Elternhaus Ende 1887, nachdem er zuvor einen freiwilligen Militärdienst geleistet hatte, und zog ins Künstlerviertel Montmartre. Noch im Dezember fand er eine Anstellung als Pianist im Kabarett Le Chat Noir. Dieser aus der Not geborene Schritt hin zur leichten Muse bot ihm willkommene Möglichkeiten für musikalische Experimente.
Nach einer enttäuschenden Liebesbeziehung zur Malerin Suzanne Valadon, die bereits Mutter eines Sohnes (Maurice Utrillo) war, entstand eines seiner bekanntesten Chansons: Je te veux, das noch heute zum Repertoire auch namhafter Sängerinnen gehört. 1898 übersiedelte er in den kleinen Ort Arcueil bei Paris. In seinem vierzigsten Lebensjahr (1905) nahm er sein Musikstudium (Kompositionslehre und Kontrapunkt) wieder auf, diesmal an der Schola Cantorum bei Vincent d’Indy und Albert Roussel. Daneben interessierte sich Satie zeit seines Lebens für die Bildende Kunst, was ihn zu privaten Studien anregte und zu lebenslangen Freundschaften und zur Zusammenarbeit mit Vertretern der damaligen Avantgarde führte, darunter Pablo Picasso, Georges Braque, Léonide Massine, Man Ray und vor allem Jean Cocteau.
Erste Bekanntheit ab 1911 verdankt er seinen Musikerkollegen Claude Debussy und Maurice Ravel, die Stücke von ihm spielten. Debussy, mit dem ihn Freundschaft und Rivalität verband, orchestrierte zwei seiner Gymnopédies. Die Aufmerksamkeit der Pariser Musikwelt errang Satie 1917 mit der Uraufführung seines Balletts Parade, das in Zusammenarbeit mit Jean Cocteau, Pablo Picasso und der Djagilew-Truppe entstanden war.
Saties Lebensweg war begleitet von Geldsorgen und den milieubedingten Gefährdungen eines Unterhaltungskünstlers in Cafés und Kabaretts. Satie starb 1925 an den Folgen des jahrelangen Alkoholmissbrauchs.
Bereits in den ersten Kompositionen des jungen Autodidakten sind wesentliche Merkmale seiner späteren Musik enthalten. Neben der Abweichung vom Dur-Moll-System gehören dazu Einfachheit und Klarheit. Mit den weiteren Elementen, Kürze und Schlichtheit, kann er als Vorreiter der Minimal Music gelten. Ferner wird Saties Einfluss auf den Impressionismus diskutiert.
Saties Vorstellungen von Musik gehen jedoch weiter. Getreu seiner Überzeugung, dass der Komponist nicht das Recht hat, „die Zeit seiner Zuhörer unnötig in Anspruch zu nehmen“,[4] entwickelte er – einige Jahre vor dem Rundfunk – seine Idee von der Hintergrundmusik. Er nennt sie Musique d’ameublement – „Möbelmusik“. Musik soll im Raum sein wie Tisch, Stuhl oder Vorhang. Damit lehnt er Virtuosität und Raffinement ab und komponiert nach einer Art Baukastensystem. Hierzu passt auch sein Ausspruch: „Jeder wird Ihnen sagen, ich sei kein Musiker. Das stimmt.“
Ganz im Gegensatz zu Saties musikalischer Kargheit stehen die phantasievollen, teils rätselhaften, teils absurden, oft umfangreichen Spielanweisungen. Statt der üblichen italienischen Vorgaben moderato, largo, allegro usw. heißt es dort: „wie eine Nachtigall mit Zahnschmerzen“ oder „öffnen Sie den Kopf“, „vergraben Sie den Ton in Ihrer Magengrube“, „beinahe unsichtbar“ oder „sehr christlich“. Ähnlich verraten die Titel seinen skurrilen Humor: Unappetitlicher Choral, Schlaffes Präludium für einen Hund, Quälereien, Bürokratische Sonatine, Drei Stücke in Form einer Birne.
Auf dem Notenblatt zu Quälereien (Vexations), einem langsamen Musikstück von zwei Minuten Dauer, schrieb er eine Notiz, die auch auf sein Verhältnis zur Dimension Zeit hinweist. Er meint: „Um dieses Motiv 840mal hintereinander spielen zu können, wird es gut sein, sich im vorhinein darauf vorzubereiten, und zwar in äußerster Stille, durch absolute Bewegungslosigkeit.“ Hintergrundmusik als „Kunst in der Zeit“ quasi ohne Anfang, ohne Ende. Die erste öffentliche Aufführung der Vexations in der wörtlich genommenen 840er Version fand 1963 in New York auf Anregung von John Cage statt und dauerte über 19 Stunden. Beteiligt waren zwanzig Pianisten, darunter Cage selbst.
Als Saties Meisterwerk, das ohne ironische oder zynische Beigaben bzw. ohne Verfremdung auskommt, kann das Symphonische Drama Socrate gelten. Für drei Platon-Dialoge nach der Übersetzung von Victor Cousin komponierte er die Musik. Er nannte das Stück „nur eine Geste der Pietät, nur eine bescheidene Hommage“. Mit der Schlichtheit der Vertonung wollte Satie allein die Schönheit der Texte wirken lassen. „Nichts anderes habe ich gewünscht.“
Saties Thesen von Einfachheit und Klarheit wurden 1917 von Guillaume Apollinaire in seinem Manifest Esprit nouveau zu zentralen Forderungen auch für die französische Literatur erhoben. Weitere Anerkennung in den letzten Lebensjahren erfuhr Satie durch die jungen Komponisten der Groupe des Six, zu der Arthur Honegger und Darius Milhaud gehörten, und der nach Saties Wohnsitz benannten Gruppe École d’Arcueil, zu der auch Henri Sauguet zählte. Trotz seiner Nähe zu Dadaismus und dem sich anbahnenden Surrealismus bewahrte sich Satie – der ohne musikalische Vorbilder war – seine Einzigartigkeit in der Musikwelt.
Der französische Komponist Robert Caby, der Satie ein Jahr vor dessen Tode kennenlernte, wurde zu seinem wichtigsten Nachlassverwalter und rettete unter anderem die Vexations vor dem Vergessen.
Saties Musik wurde in über 100 Filmen verwendet. Der erste Film, in dem er auch einen kurzen Auftritt hatte, war Entr’acte von René Clair aus dem Jahr 1924.